A1NEU2: Frischer Wind für die Erneuerbaren in Baden-Württemberg
Veranstaltung: | LAG Antrag zum AUsbau der Erneuerbaren Energien |
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Status: | Modifiziert |
Eingereicht: | 26.08.2022, 12:31 |
Antragshistorie: |
Veranstaltung: | LAG Antrag zum AUsbau der Erneuerbaren Energien |
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Status: | Modifiziert |
Eingereicht: | 26.08.2022, 12:31 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Die Klimakrise schreitet voran, Bürger*innen sorgen sich um die
Energiesicherheit und steigende Energiekosten. Spätestens seit dem russischen
Angriffskrieg ist klar, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht nur das
Klima schützt, sondern auch eine Frage der Energiesicherheit ist. Eine
umfassende Versorgung mit Erneuerbaren Energien wird zunehmend zu einem
wichtigen Standortfaktor für die Industrie. Deshalb wollen wir, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN Baden-Württemberg, schnellstmöglich unabhängig von fossilen Energien
werden, indem wir dem Ausbau der Erneuerbaren einen neuen Schub geben und dafür
die Bedingungen schaffen.
Nach der Novelle des Erneuerbaren Energiengesetzes vom 8. Juli 2022 liegen in
Deutschland Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energie (EE) im überragenden
öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. Das bedeutet,
ihnen ist zukünftig eine vorrangige Bedeutung in den jeweiligen
Schutzgüterabwägungen einzuräumen. Wir wollen diese rechtliche Aufwertung in
Regelungen umsetzen, damit die erforderlichen Erzeugungsanlagen rasch errichtet
werden können. Um bis spätestens 2040 ein klimaneutrales Baden-Württemberg zu
erreichen, brauchen wir ein Vielfaches der heutigen Ausbauraten an erneuerbaren
Energien.
Zur deutlichen Beschleunigung des Ausbaus von Photovoltaik- und Windkraftanlagen
müssen wir eine zügigere Bereitstellung von Freiflächen und Standorten
ermöglichen, die kurzfristige Genehmigung zum Regelfall und Investitionen in
erneuerbare Energien attraktiver machen, sowie den Fachkräftemangel beheben. Für
Dach-Photovoltaikanlagen braucht es zudem Anreize für eine vollständige Nutzung
der Dachflächen, einfachere steuerliche Regelungen und entbürokratisierte
Verfahren zum Stromnetzanschluss.
Genehmigungsverfahren und -grundlagen
Mit dem Klimaschutzgesetz Baden-Württemberg wurde beschlossen, dass 2% der
Landesfläche für Freiflächen-Photovoltaik- und Windkraftanlagen ausgewiesen
werden müssen. Zur Beschleunigung des Verfahrens wollen wir, dass bis Ende des
Jahres 2023 in einem ersten Schritt 1 % der Landesfläche für Freiflächen-
Photovoltaik und Windkraftanlagen ausgewiesen werden. Ein weiteres Prozent soll
bis zum Jahr 2027 ausgewiesen werden. Solange diese jeweiligen Flächenziele
nicht erreicht sind, schlagen wir vor, dass Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen
nach dem Außenbereichsprivileg (privilegiertes Bauvorhaben nach § 35 Abs. 1. Nr.
3 BauGB) errichtet werden können.
Gemäß der Novelle des EEG sollen Belange des Naturschutzes, Landschaftsschutzes,
Wasserrechts, der Landwirtschaft, des Denkmalschutzes, Brandschutzes,
Forstrechts und Straßenrechts nur noch in schwerwiegenden Fällen die Genehmigung
von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energie verhindern.
Mit einer Leitlinie in der Form von ministerialen Erlassen und Anpassungen der
Verwaltungsvorschriften durch die obersten Landesbehörden, möchten wir den
unteren Genehmigungsbehörden einen verbindlichen Rahmen setzen, der
gewährleistet, dass die Entscheidungen im Einzelfall dem überragenden
öffentlichen Interesse am Bau von Erzeugungsanlagen für erneuerbare Energien
gerecht werden und schnell und rechtssicher getroffen werden können.
Genehmigungen sollen zu diesem Zweck typisiert werden. Wir wollen erreichen,
dass die Genehmigungen von Wind- und Solarkraftwerken auf dafür geeigneten
Flächen von der Ausnahme zur Regel werden. Genehmigungszeiten, die heute bei
Windkraftwerken bis zu 7 Jahre dauern können, wollen wir halbieren.Wir streichen
viele Fristverlängerungen. Eine Genehmigung soll automatisch erteilt werden,
wenn innerhalb der Frist kein ablehnender Bescheid ausgestellt wird. Wir wollen
prüfen, ob Freiflächen-PV Anlagen, die nach dem anerkannten Stand der Technik
errichtet werden, grundsätzlich genehmigungsfrei gestellt werden können.
Die Umsetzung der von den Regionalverbänden für Windkraft und
Freiflächenphotovoltaik ausgewiesenen Flächen soll für die Kommunen zur Pflicht
werden. Im Gegenzug haben die Kommunen ein Vorschlagsrecht für die Ausweisung
von geeigneten Flächen. Die Kosten, die den Gemeinden für behördliche Planungs-
und Genehmigungsverfahren von Freiflächen- Photovoltaik und Windkraftanlagen
entstehen, sollen überwiegend vom Land übernommen werden.
Ausgleichsmaßnahmen
Wir wollen folgende Änderungen bei den Genehmigungsgrundlagen vornehmen:
Ausgleichsflächen müssen für Freiflächen-Photovoltaik zukünftig nicht mehr
bereitgestellt werden, da Anlagen für die erneuerbaren Energien einen hohen Wert
für die Erhaltung der Natur darstellen und bei geeigneter Ausführung eine hohe
Biodiversität ermöglichen können.
Ausgleichsflächen für Windenergie sollen zukünftig nicht mehr in der
Verantwortung der Projektträger liegen, sondern in großen Programmen für den
Populationsschutz gefährdeter Arten beim Land oder Bund gebündelt werden.
Ausbauziele
Wir wollen die Ausbauziele in Baden-Württemberg an die Ziele des Bundes
anpassen, welche mit Bundestagsbeschluss vom 8. Juli 2022 in der Novelle des
Erneuerbaren Energien Gesetz gesetzt wurden. Das bedeutet, dass der Anteil des
Stroms aus erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch auch in Baden-
Württemberg bis 2030 auf mindestens 80% gesteigert wird. Ziel ist eine
nachhaltige und treibhausgasneutrale Stromversorgung, die vollständig auf
erneuerbaren Energien beruht. Wir wollen die Stromversorgung in Baden-
Württemberg resilienter und unabhängiger von Importen machen. Unser Ziel ist es,
dass Baden-Württemberg in der pro Kopf-Statistik im Ausbau der EE im
bundesweiten Vergleich in die vorderen Ränge aufsteigt.
Netzausbau
Ein weiterer zentraler Punkt ist der Netzausbau: Verteilnetzbetreiber sollen bei
neuen Anlagen oder Erweiterung bestehender Anlagen dazu verpflichtet werden, das
Netz auf die Aufnahme der zusätzlich erzeugten Leistung auszubauen. Abregelungen
sollen unterbunden werden. Stattdessen sollen Anreize und Regelungen geschaffen
werden, die es erlauben, Energieüberschüsse für die lokale Produktion von grünem
Wasserstoff zu nutzen und so dieser wichtigen Technologie in Baden-Württemberg
den Weg zu ebnen.
Aufdach-Photovoltaik
Wir setzen uns dafür ein, dass für Aufdach-PV-Anlagen die Vergütungssätze
schnellstmöglich weiter angehoben werden und die Direktvermarktung stark
vereinfacht wird, um auch kleine Anlagen wirtschaftlich betreiben zu können
sowie die Überschusseinspeisung in das Stromnetz zu steigern. Wir setzen uns
dafür ein, dass die Dächer möglichst vollständig mit Photovoltaikmodulen belegt
werden und bauen Restriktionen ab, die dem entgegenstehen. Wir wollen ein
Landes-Förderprogramm für PV-Anlagen auflegen, die mindestens 80% der Dachfläche
belegen.
Wir setzen uns dafür ein, dass auch in Deutschland die erlaubte
Anschlussleistung für Balkon-Photovoltaik-Anlagen von bislang 600 W gemäß dem
Europäischen Netzkodex auf 800 W angehoben werden.
Beteiligung der Bürger*innen an der Energiewende
Bürgerenergiegenossenschaften spielen für eine breite Akzeptanz der Erneuerbaren
Energien eine wichtige Rolle. Deshalb wollen wir ein Förderprogramm des Landes
für die Gründung von Bürgerenergiegenossenschaften auflegen und die gesetzlichen
und verwaltungstechnischen Rahmenbedingungen verbessern.
Den sozialen Zusammenhalt heute und in Zukunft sichern
Konsequenter Klimaschutz und der soziale Zusammenhalt unserer Gesellschaft sind
zwei Seiten derselben Medaille.Der Ausbau der Erneuerbaren Energien bei uns im
Land schafft regionale Werte, sichert Arbeitsplätze, und liefert grüne Energien,
die heute schon preiswerter sind als fossile.
Klimabürger*innenräte
Wir wollen die Einrichtung von Klimabürger*innenräten in Kommunen und Regionen
fördern und auf Landesebene einen Klimabürger*innenrat einrichten. Diese sollen,
beraten von Experten*innen, bis Mitte 2023 ihren Kommunen beziehungsweise dem
Land konkrete Maßnahmen zum Ausbau der Erneuerbaren vorzuschlagen, die so
bemessen sind, dass sie vereinbar mit dem Pariser Klimaschutzziel sind.
Initiative für Fachkräfte
Den Fachkräftemangel in der EE-Branche wollen wir mit neuen, Gewerke-
übergreifenden Ausbildungsmodellen an Schulen, neuen praxisorientierten
Ausbildungsgängen sowie einer Ausbildungsgarantie beheben. Kosten für Meister-
und Gesellenprüfungen sollen vom Land übernommen werden. Bei Unternehmen der
Erneuerbaren Branche müssen wir neues Vertrauen in den Wachstumsmarkt der
Erneuerbaren Energien schaffen und so Investitionen auslösen. Diese Unternehmen
brauchen Anreize, auszubilden und Fachkräfte einzustellen. Wir brauchen eine
Gründungsinitiative des Landes für Installationsbetriebe für die Energiewende.
Wir wollen zügig ein Förderprogramm des Landes für umfassende Maßnahmen
auflegen, um Fachkräfte für alle Berufe zu gewinnen, die für die Energiewende
wichtig sind.
Wir wollen Anreize schaffen, dass sich Industrien und Produktionsstätten für die
Herstellung von Windkraftanlagen, Photovoltaikanlagen, treibhausneutrale
Heizungstechniken und Wasserstofftechnologien in Baden-Württemberg ansiedeln und
entwickeln. So wollen wir Baden-Württemberg zu einem Zentrum der europäischen
Energiewende-Industrie machen.
Wir wollen den Ausbau der erneuerbaren Energien nun erheblich beschleunigen und schlagen hierzu ein Bündel von Maßnahmen zur Überwindung entsprechender Hemmnisse vor.
Vorschläge wurden im Rahmen der LAG Energie durch Expert:innen aus der Energiewirtschaft, der Solarenergie- und der Windenergiebrache, aus Verwaltungen, Kommunalparlamenten und Umweltverbänden erarbeitet und liegen in ausführlicher Form in einem Positionspapier (https://wolke.netzbegruenung.de/apps/files/?dir=/101_Baden-Württemberg/Landesarbeitsgemeinschaften/Energie/EE-Ausbau%20BaWü&openfile=56352793) vor.
Die gegenwärtigen landesrechtlichen Rahmenbedingungen sind mit den im Juli 2022 auf Bundesebene in der Novelle des Erneuerbaren -Energien-Gesetz (EEG) formulierten Grundsätzen nicht mehr vereinbar.
In der beschlossenen Novelle des EEG heißt es:
„Die erneuerbaren Energien müssen daher nach § 2 Satz 2 EEG 2021 bis zum Erreichen der Treibhausgasneutralität als vorrangiger Belang in die Schutzgüterabwägung eingebracht werden. Konkret sollen die erneuerbaren Energien damit im Rahmen von Abwägungsentscheidungen u. a. gegenüber seismologischen Stationen, Radaranlagen, Wasserschutzgebieten, dem Landschaftsbild, Denkmalschutz oder im Forst-, Immissionsschutz-, Naturschutz-, Bau- oder Straßenrecht nur in Ausnahmefällen überwunden werden. ...Besonders im planungsrechtlichen Außenbereich, wenn keine Ausschlussplanung erfolgt ist, muss dem Vorrang der erneuerbaren Energien bei der Schutzgüterabwägungen Rechnung getragen werden.“
Der bisher geltende Rechtsrahmen ist auch ursächlich mit dafür verantwortlich, dass Baden-Württemberg in der pro Kopf-Statistik im Ausbau der EE im bundesweiten Vergleich einen der letzten Plätze belegt.
Ein besonders schwerwiegendes Problem sind die hohen bürokratischen und verfahrenstechnischen Hürden für den Ausbau, die Nutzung und Vermarktung erneuerbarer Energien (nicht nur) in Baden-Württemberg. So ist z.B. für die Errichtung von Freiflächen-PV-Anlagen zuerst ein 10-stufiges Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans und im Anschluss daran noch einmal ein 10-stufiges Bauleitverfahren zu durchlaufen. Dies bedeutet einen erheblichen finanziellen und personellen Aufwand und führt zu jahrelangen Verzögerungen. Zudem kann eine Vielzahl von hinzuzuziehenden unteren Genehmigungsbehörden durch Entsagen der Zustimmung das Projekt zum Scheitern bringen. Die Verordnungen, welche die Entscheidungsgrundlagen dieser unteren Behörden darstellen, stammen dabei zum Großteil aus dem letzten Jahrtausend und werden den Erfordernissen der im Juli vom Bundestag beschlossenen EEG Novelle in keinster Weise gerecht. Hier sind die obersten Landesbehörden gefordert, diese Verordnungen in Bezug auf Naturschutz, Landschaftsschutz, Wasserrecht, Landwirtschaft, Denkmalschutz, Brandschutz, Forstrecht und Wegerecht den Erfordernissen des Klimaschutzes anzupassen und gegenüber den im „überragenden Interesse“ stehenden Ausbau der Erneuerbaren unterzuordnen. Sollten im einzelnen Landesgesetze einer solchen Ausgestaltung der Verordnungen entgegenstehen, sind entsprechende Gesetzesänderungen umgehend auszuarbeiten und dem Parlament zum Beschluss vorzulegen.
Aktuell verzögern sich Planungs- und Genehmigungsverfahren aufgrund von Landesverordnungen, die als Entscheidungsgrundlage für untere Behörden dienen, um mehrere Jahre. Damit werden wir unseren eigenen Klimaschutzzielen und der im Juli vom deutschen Bundestag beschlossenen EEG-Novelle nicht gerecht.
Die Sicherung, Planung, Abstimmung mit den Behörden, Herrichtung sowie Monitoring der Flächen ist für die Projektierer:innen von EE-Anlagen mit unverhältnismäßig hohem zeitlichen und personellem Aufwand verbunden. Anstelle der Bereitstellung und Betreuung von Ausgleichsflächen tritt eine finanzielle Kompensation durch den Projektierer zur Unterstützung dieser Artenschutzprogramme.
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